Wer hat noch nicht angekreuzt?

Empfehlung Wer hat noch nicht angekreuzt? pixabay
Ein herrlicher Herbsttag,

den die geselligen Mitglieder des Pensionistenverbandes für einen Tagesausflug an den Neusiedlersee nutzen.

Der komfortable Bus ist mit 48 Frauen und Männern einschließlich des freundlichen Lenkers voll besetzt.

Der immer etwas hektisch agierende Reiseleiter, in seiner beruflich aktiven Zeit war er Schaffner bei der Eisenbahn, hat während der Fahrt eine Liste nach links hinten gereicht.

„Auf dieser ist das gewünschte Menü für das beim Aufenthalt in Mörbisch vorgesehene Mittagessen anzukreuzen", klärt er lautstark auf. Die Leute richten aufmerksam ihre Blicke auf ihn. Mit einem Nicken bestätigen sie, die Aufforderung verstanden zu haben. Den resoluten Ton ihres Reiseleiters kennen sie ja.


Auf der Liste angeführt sind Gemüsesuppe und Zander nach ungarischer Art mit Beilage sowie Nudelsuppe und Schweinsbraten mit Beilage. Nachtisch ist Topfentorte beziehungsweise Apfelstrudel. Der Reiseleiter will die Essensbestellung rechtzeitig per Handy dem Gasthof mitteilen.


Als die Essensliste nach etwa einer Viertelstunde bei ihm wieder anlangt, ist er sofort elektrisiert. Beim ersten Blick erkennt er – es fehlt eine Bestellung. Er zählt vergewissernd nach und registriert faktisch die ungeheure Schlamperei. Und das darf nicht sein, der Zeitplan würde erheblich gefährdet, die Ausflugsdisziplin gestört, wenn wirklich ein Essen fehlt.

In Mörbisch warten sie schon auf seine Ansage. Platz einnehmen ist exakt um zwölf Uhr. Um eins müssen Speisen und Getränke verzehrt und der Saal geräumt sein. Aber ein Essen fehlt!
Wie soll das Personal im Gasthof Fisch und Braten vorbereiten, garnieren, hinstellen, den Kaffee samt Torte und Strudel servieren, das „Hat's g'schmeckt?" anbringen, kassieren, abräumen, den nächsten Bus würdevoll empfangen und liebevoll abfertigen, wenn ein logistischer Schwachpunkt alles gefährdet?

Das Defizit dominiert den Reiseleiter jetzt völlig, er wird ungehalten, nichts fürchtet er mehr als eine Blamage. Zwei, vier, sechs, acht... - wieder das hartnäckige Defizit! Er stemmt sich jetzt aus seinem Sitz hoch, geht schwankend und sehr energisch blickend bis zum Heck des Busses.

Er fixiert alle namentlich und dann, beim Zurücktapsen, erkennt er siedend heiß den Schwachpunkt – sich selber. Er ist noch ohne kulinarische Festlegung.

„Alles klar!", stellt er nun busweit hörbar fest und kreuzt leise bei Nudelsuppe und Schweinsbraten mit Beilage an.

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