Offener Brief an Karlheinz Kopf

Frau Sonja M. Lauterbach nahm in einem offenen Brief Stellung zu einem ZIB2-Interview mit Wirtschaftskammer Generalsekretär Karlheinz Kopf.


Aus gegebenem Anlass und da Ihre Statements auch für Wirtschaftstreibende im Bezirk Liezen interessant sind, veröffentlicht BLO24 den Brief von Frau Lauterbach:

Sehr geehrter Herr Kopf,

Im ZiB2-Interview am 20.4.2020 haben Sie sich gerühmt, 140.000 Härtefallfonds-Anträge der Phase 1 abgewickelt zu haben. Das ist keine Leistung, wenn man bedenkt, dass es rund 500.000 selbstständig Erwerbstätige in Österreich gibt, die von den Maßnahmen der Regierung betroffen sind. Das ist immerhin jede zweite Firma im Land.
Das bedeutet in Wahrheit, dass 72% aller Betroffener systematisch ausgeschlossen wurden und gar keinen Antrag stellen durften.
Weil sie:
doppelt versichert sind
im Vorjahr zu viel verdient hatten
im Vorjahr zu wenig verdient hatten
Mindestpension beziehen und nebenbei selbstständig arbeiten müssen
erst im Jahr 2020 gegründet haben

Es wurden somit im Schnitt 8.750, von Betroffenen selbst elektronisch erfasste, Anträge automatisiert pro Tag verarbeitet. Das ist eine Leistung, die jeder durchschnittliche Server schaffen sollte.
Sie rühmen sich, dass in der ersten Phase über 120 Millionen „Soforthilfe“ ausbezahlt wurden. Mit einer einfachen Division stellt man fest, dass 28% aller Betroffener im Schnitt 857 Euro erhalten haben – und nicht die hartnäckig kolportierten 1.000 Euro.
Sie, Herr Kopf, nennen Alleinunternehmer, denen das Arbeiten von der Regierung verunmöglicht wurde, „Hilfsbedürftige“. Das ist eine Bezeichnung, die an Arroganz nicht zu toppen ist. Allein-Unternehmer sind nicht „hilfsbedürftig“ und sie sind vor allem keine Bittsteller. Sie, Herr Kopf, verteilen keine Spenden, sondern Steuergeld, das auch von den Betroffenen erwirtschaftet wurde. 2017 waren es 4% des BIP. Das bedeutet, dass EPU mehr erwirtschaften, als das gesamte Bildungswesen 2017 gekostet hat.

Die Phase 1 des Härtefallfonds war kein „schnell wirksames Instrument“, sondern ein Pfusch.
Die Richtlinien machen deutlich, dass die WKO von rund 60% ihrer Mitglieder einfach keine Ahnung hat und schon gar nicht ihre Interessen vertritt, für das sie teils seit Jahrzehnten bezahlen. Und zwar alternativlos.
Sie, Herr Kopf, loben die Einfachheit der Berechnungen der Phase 2 und begründen es damit, dass am ersten Tag bereits 30.000 Anträge eingegangen sind. Das ist ein kurioser Fehlschluss.
Dass 6% aller Betroffener bereits am ersten Tag die verlangten Zahlen zur Hand hatten, liegt daran, dass sie die Unterstützung von Steuerberatern in Anspruch genommen haben, um sie zu ermitteln. Die WKO weiß offensichtlich nicht, dass es sich bei selbstständig Erwerbstätigen um Einnahmen-Ausgaben-Rechner handelt. Dass die Besonderheiten einer E/A-Rechnung vielen WKO-Mitarbeitern und auch Ihnen nicht geläufig sind, mussten viele der Betroffenen bei Telefonaten erfahren. Selbst auf ihrer Facebook-Seite hat die WKO mehrfach falsch informiert. Genau diese Besonderheiten der E/A-Rechnung machen die Richtlinien der Phase 2 so absurd, da die Zahlungsmoral der Kunden die Höhe der Ansprüche zum Glücksfall macht.

Zahlen Kunden einen Tag vor dem definierten Zeitfenster, hat ein Betroffener Glück, da im gemeinten Zeitraum weniger Zahlungseingänge sind. Zahlen Kunden einen Tag danach, hat man einfach Pech und erhält entsprechend weniger.
Sie irren, Herr Kopf, wenn Sie behaupten, dass es für einen Unternehmer unwichtig sei, die Höhe der Zahlung aus dem Fonds zu kennen. Sie als Interessenvertreter der Wirtschaft sollten die Bedeutung von Planungssicherheit eigentlich kennen. Auf der Homepage der WKO waren Berechnungsbeispiele zu finden.

Wenn man den „Vorschuss“ aus Phase 1 gemäß den Richtlinien in Abzug bringt, erhalten die Selbstständigen aus den Fallberechnungen:
Tischlermeister: 603,33 €
Friseurin: NULL €
Grafik-Designerin: NULL €
Physiotherapeutin: NULL €
Gewerbetreibender: 216,67 €
Kein einziges Beispiel kommt auch nur annähernd an die hartnäckig über die Medien verbreiteten 2.000 Euro heran.

Es ist somit der üblichen kaufmännischen Sorgfalt geschuldet, sich im Voraus auszurechnen, mit welcher Summe aus dem Härtefallfonds man rechnen kann.
Sie, Herr Kopf, betonen, dass es sich beim Härtefallfonds um eine Unterstützung bei den privaten Lebenshaltungskosten handelt – und nicht um einen Zuschuss zu den betrieblichen Fixkosten. Das ist jedem Betroffenen bekannt. Was Ihnen, Herr Kopf, offenbar nicht bekannt ist, ist, dass bei Alleinunternehmern betriebliche Fixkosten tatsächlich monatlich anfallen. Und die sind je nach Branche erheblich:
Betrachten wir als Beispiel den Tischlermeister und nehmen wir an, dass er monatlich 2.500 € Fixkosten hat:
Der Spezialist hat bis zum 20.4.2020 privat 1.000 € erhalten, betrieblich fallen 2.500 € zusätzlich an. Er erhält nun in der Phase 2, wiederum privat, 216, 67 € – und die betrieblichen Fixkosten belaufen sich bereits auf 5.000 €.
Bis der Tischlermeister einen Zuschuss für seine Fixkosten erhält, was frühestens Anfang Mai der Fall sein wird, steigen die betrieblichen Fixkosten bereits auf 7.500 € an. Privat hat er bis dahin ganze 2.433,34 € erhalten.
Man muss kein theoretischer Physiker sein, um zu erkennen, dass die vollmundig angekündigte „Koste-es-was-es-wolle-Soforthilfe“ sehr weit an der Unternehmenspraxis vorbeigeht.

Dass Sie, Herr Kopf, als Interessensvertreter dieses Tischlermeisters und 499.999 weiterer Betroffener, das als Erfolg verkaufen, empört.

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