Miteinander in der Natur, Rückzugsgebiete für Wildtiere

Agrarlandesrat Hans Seitinger, Vorsitzender Jürgen Dumpelnik (Naturfreunde), Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau, Vorsitzender Norbert Hafner (Alpenverein) und Sportlandesrat Christopher Drexler ©Der Anblick/Garber Agrarlandesrat Hans Seitinger, Vorsitzender Jürgen Dumpelnik (Naturfreunde), Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau, Vorsitzender Norbert Hafner (Alpenverein) und Sportlandesrat Christopher Drexler
Steiermark: Unsere Erholungsräume geraten an ihre Grenzen.

Wo sich Freizeitaktivitäten des Menschen mit den Rückzugsräumen unserer großen Pflanzenfresser überschneiden, wird der Winter für Reh, Gams und Hirsch zum immer herausfordernden Überlebenskampf. Eine repräsentative Umfrage zeigt: Rund 87% der Steirerinnen und Steirer sind sich dieser Problematik bewusst. Gemeinsam mit den alpinen Vereinen und dem Land Steiermark sollen nun in den besonders sensiblen Fütterungsbereichen für Rotwild Ruhezonen definiert werden.
Ausgehend von diesem gemeinsamen Bekenntnis zum Wildtierschutz wird bis zum nächsten Winter im intensiven Dialog mit den alpinen Vereinen ein Konzept für die Steiermark erarbeitet, dass Schitourenrouten und Winterwanderwege mit den lebenswichtigen Überwinterungsgebieten von Hirsch, Gams und Reh in Einklang bringt.

Steirer wollen Rücksicht nehmen
Eine aktuelle repräsentative Telefonumfrage zum Thema „Naturnutzung durch den Menschen in den Wintermonaten“ brachte folgende Ergebnisse:

98% der Befragten meinen, dass unsere heimischen Wildtiere (Rehe, Hirsche, Gamswild usw) in den Wintermonaten Ruhe und Rückzugsgebiete brauchen!
87,5% der Befragten sind der Meinung, dass die Bewegungen von Menschen in der Natur im letzten Jahr zugenommen haben, 87,4% davon sind der Meinung, dass Wildtiere dadurch Nachteile erleiden
65,3% der Befragten sind selbst in den Wintermonaten in der Natur unterwegs, 86% davon immer auf den vorgegebenen Routen und beschilderten Wegen, der Rest gibt an, in erster Linie das ruhigere Erlebnis der unberührten Natur zu suchen.
96,8% davon würden gekennzeichnete Fütterungsstellen weiträumig meiden, um den heimischen Wildtieren in den harten Wintermonaten zu helfen

Zitat Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau:
„Die Hand ist ausgestreckt – aus dem umfassenden Wissen über die Natur und das Verhalten der Wildtiere ist der Jagd die Wissenschaft der Wildbiologie hervorgegangen. Aussperren war gestern, der gemeinsam Dialog wird hier tragfähige und von allen Seiten akzeptierte Lösungen bringen, davon bin ich überzeugt. All unsere unterschiedlichen Interessen, mit der wir unsere Natur und die Wildtiere mittlerweile bedrängen, treffen immer wieder auf dieselbe Natur, wir haben nur diese eine. Die Begegnung mit den faszinierenden Wildtieren ist für viele Naturnutzer der Höhepunkt eines Besuches in der Natur – sie sind der wilde Schatz unserer Kulturlandschaft, den es zu erhalten gilt. Das Zugeständnis von Rückzugsgebieten für den Winter der für unsere Wildtiere noch immer Notzeit und Überlebenskampf bedeutet ist ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, um diesen faszinierenden Schatz zu erhalten und verantwortungsvoll mit ihm umzugehen, damit ihn unsere Kinder und Enkelkinder auch noch erleben dürfen.“

Zitat Norbert Hafner, Vorsitzender des Alpenvereins Landesverband Steiermark
Erlebnis, Erholung und Sicherheit sind für den Bergsport insgesamt und für die Einzelperson seit eh und je wichtige Ziele.
Naturerlebnis und gemeinsame Freude beim Bergsport ist vielen ebenso wichtig.
Im gemeinsamen Lebensraum müssen aber alle Interessen, Natur und Tierwelt Berücksichtigung finden.
Der Alpenverein vermittelt dies in seinen Ausbildungen und Kursen
und vertritt dies als anerkannte Naturschutzorganisation auch darüber hinaus.
Einvernehmliche Lenkungsmaßnahme sind seit vielen Jahren ein bewährtes Mittel, insbesondere um Gebiete mit anerkannt hohem Nutzungsdruck zu entlasten.
„Nehmen wir immer Rücksicht auf andere, Natur und Tierwelt, für gemeinsame „Wege ins Freie“!“

Zitat Norbert Dumpelnik, Landesvorsitzender der Naturfreunde Steiermark
„Für die Naturfreunde ist die Wegefreiheit eines der größten und wichtigsten Güter. Je mehr Menschen aber in die Berge gehen, umso wichtiger ist es auch den gemeinsamen Lebens- und Erholungsraum zu schonen und respektvoll mit allen Bewohnern und Nutzern dieses Lebensraumes umzugehen. Die Naturfreunde stehen jederzeit als Kooperationspartner und Mitträger von gemeinsamen Lösungsansätzen für alle beteiligten Naturnutzer zur Verfügung, denn das Einhalten von einvernehmlichen Verhaltensregeln ist ein Vorteil für Tier, Natur und auch den Menschen!“

Zitat Agrarlandesrat Hans Seitinger:
„Der Wald ist Wirtschafts- und damit Arbeitsraum für die Forstwirtschaft, Erholungsraum für Menschen und er ist vor allem Lebensraum einer großen Wildtierpopulation. Störungen der Winterruhe können für Wildtiere lebensbedrohlich sein. Ich appelliere an alle Naturnutzer sich respektvoll zu verhalten und damit zum Miteinander in der Natur beizutragen. Mit dem Projekt Naturwelten entsteht in Pernegg ein innovatives Zentrum, das mit einer umfassenden Naturbildung, insbesondere für Schülerinnen und Schüler, zum gegenseitigen Verständnis beitragen wird.“

Zitat Sportlandesrat Christopher Drexler:
„Als Sportlandesrat freut es mich natürlich, dass wir einen regelrechten Boom zu Wintersportaktivitäten wie dem Schitourengehen erleben. Denn das zeigt, dass die Steirerinnen und Steirer gerne Sport betreiben und in Bewegung sind. Es bedeutet aber auch einen erhöhten Bedarf an Information, an Bewusstseinsbildung und an gegenseitigem Verständnis. Die Sportlerinnen und Sportler sind Gäste in Wald und Natur. Auch wenn nun vorliegende Befragungsergebnisse erfreulicher Weise zeigen, dass sich mehr als 85 Prozent der Naturnutzerinnen und Nutzer an vorgegebene Routen und Beschilderungen halten, bestehen Konflikte und erhebliche Gefahren. Ich bin der Landesjägerschaft, den alpinen Vereinen und dem Agrarlandesrat sehr dankbar, dass wir uns gemeinsam dieser Thematik widmen. Seitens des Sportressorts werden wir in den kommenden Wochen und Monaten viele weitere Gespräche mit den Partnerinnen und Partnern, mit den unterschiedlichen Interessensgruppen führen, um ein breites Bild der Bedürfnisse und Problemfelder rund um das Skitourengehen und die vielen anderen Wintersportarten, die oftmals im freien Gelände ausgeübt werden, zu bekommen. Ich bin überzeugt, dass wir auf diesem Weg für die nächste Wintersaison zu Ergebnissen kommen, die zur Vermeidung möglicher Konflikte und zu mehr Sicherheit für die Sportlerinnen und Sportler beitragen können.
Weitere Zahlen, Daten und Fakten:

Steirisches Überwinterungskonzept für Rotwild
Rotwild als unser größtes heimisches Säugetier würde im Winter vom Bergland in das südliche Hügelland wandern, weil es dort weniger Schnee und mehr Futter gibt. Doch Siedlungen und Verkehrswege behindern diese Winterwechsel.

Außerdem wurde für den Rothirsch in der Steiermark festgelegt, dass er im Osten des Landes nicht vorkommen soll. Ein Viertel der Landesfläche ist als „rotwildfreie Zone“ ausgewiesen, insgesamt hat der Rothirsch rund 90 % seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes auf dem europäischen Kontinent verloren! Der Platz für unseren letzten großen heimischen Pflanzenfresser wird immer enger. Während im Sommer noch genug Lebensraum vorhanden ist, wird der Winter mehr und mehr zum Nadelöhr. Rotwildfütterungen helfen auch Wildtiere dorthin zu lenken, wo es noch geeignete Wintereinstände gibt.

Insgesamt gibt es heute in der Grünen Mark rund 360 Rotwildfütterungen, die per Bescheid von der Behörde genehmigt wurden, etwa 80 Standorte wurden während der letzten zehn Jahre aufgelöst. Jahrzehnte lange Erfahrung, auch Fehler, aus denen man gelernt hat, ebenso wie wissenschaftlich fundierte Grundlagen sind heute die Basis für ein Überwinterungskonzept, das aber nur die eine Hälfte der Medaille ist. Letztendlich zeigen Beispiele aus allen Alpenländern, dass ein Raumplanungskonzept mit Ruhezonen jedenfalls der zweite Teil einer Gesamtstrategie ist. Für die Zukunft einer vielseitig genutzten Kulturlandschaft führt da kaum ein Weg herum.

Gamswild – Uriges steirisches Kulturgut
Gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur wurde die Lebensraumeignung der Steiermark für diese urige Wildart untersucht. Das daraus entwickelte Modell gibt Aufschluss über den Anteil der Steiermark, der derzeit noch optimale oder zumindest gut geeignete Lebensräume für diese im Anhang V der FFH-Richtlinie geführte Wildart aufweist.

Ergebnisse:
Nur rund 7% der Fläche der Steiermark sind im Sommer Top-Lebensräume für das Gamswild, rechnet man jene Flächen dazu, die zwar nicht optimal, aber doch gut geeignet für diese Wildart sind, bleibt es trotzdem nur bei 13% der gesamten Landesfläche.
Im Winter findet diese urige Wildart nur auf rund 2% der steirischen Landesfläche Top-Bedingungen für das Überleben vor, auf weiteren 5% findet diese Tierart zwar nicht optimale, aber doch noch geeignete Bedingungen, um über den Winter zu kommen.

Im Winter schrumpfen also die Top-Lebensräume auf rund ein Drittel des ohnehin schon geringen Anteil, Störungen durch den Menschen, der in diese Lebensräume eindringt und das Gamswild in suboptimale Lebensräume abdrängt, stellen ein massives Problem für den Schutzwald und die Population an sich dar. Freihaltezonen mit einer Schusszeit von 365 Tage im Jahr ohne Rücksicht auf eine wildbiologisch erwiesene günstige Altersstruktur werden von der Steirischen Landesjägerschaft abgelehnt werden, sind aber eine Folge des ungebremsten Eindringens in wertvolle Überwinterungsgebiete.

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