Ein Käfer macht noch keinen Mai

Ein Käfer macht noch keinen Mai Ottofoto
Und doch freut man sich, wenn Besuch von so einem tollpatschigen Brummer beim offenen Fenster in die Küche „hereinschneit“. Wie es mir passiert ist.


Das zur Familie der Blatthornkäfer gehörende Insekt ist wurde in den 50iger und 60iger Jahren wegen seines häufigen Auftretens teilweise zur Plage. Maikäferklauben war für die Kinder ein Hobby und wurde sogar belohnt, weil die gefräßige Bande bei Baumblüten und Wurzeln große Schäden verursachte.
Nach 4 Jahren in der Erde (3 davon als Engerling) kommen sie Ende April bis Anfang Mai an die Oberfläche. Um nach einigen Wochen und erfolgter Vermehrung wieder abzusterben. Die Weibchen (korrekt die Maikäferinnen??) legen die befruchteten Eier auf den Feldern oder im Wald in aufgelockertem Boden ab und der Zyklus beginnt erneut. Daraus ergibt sich ungefähr alle vier Jahre ein besonders häufiges Auftreten der Krabbler. Ein Maikäferjahr wurde das im Volksmund genannt.

Durch die moderne, maschinelle Bodenbearbeitung und früher auch durch radikalen Einsatz von Gift (in den 50iger Jahren mit DDT) dezimierte sich das Vorkommen fast auf null. Jahrelang galt der Maikäfer schon als ausgestorben und lebte nur noch in den Geschichten von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“, die vermutlich heute als ausgestorben zu bezeichnen sind.

„Mein“ Käfer hat sich bestimmt im nahen Apfelbaum in Nachbars Garten gütlich getan. Der steht ja seit Tagen im hochzeitsweißen üppigen Blütenkleid und nach einer etwas verwackelten Fotosession (die Katze war kaum zu bremsen, den Brummer näher zu begutachten) entließ ich ihn wieder in die Freiheit.
Was er auch mit dem Fluggeräusch einer Riesenhummel sofort in Anspruch nahm.

Kurzzeitig wird man durch so einen kleinen Zwischenfall wieder in die Kindheit zurückversetzt. Man erinnert sich an die verschiedenen Farbvarianten, denen wir Berufsbezeichnungen gaben. Am verbreitetsten war der „Schuster“, mit kastanienbraunem Panzer zwischen Fühlern und Flügeln. Doch dann gab es noch den „Müller“ dessen Kappe eher weiß war. Oder den „Rauchfangkehrer“ mit schwarzer Kappe.

Diese waren eher selten und daher sehr begehrt.
Dann musste noch der Mutter das größte vorrätige Gurken – oder Krautglas abgebettelt werden. Darin wurde den Käfern ein Mix aus blühenden Zweigen und ähnlichen Pflanzen errichtet und mit einem durchlöchertem Sackerln oben drüber eine „Flucht“ verhindert. Tagsüber tat sich nicht viel im „Käferaquarium“, aber abends kam Leben in die Bude. Das war für uns Naturkundeunterricht „live“.

Spätestens nach 3 Tagen kam die Order vom Vater, die Tiere wieder auszulassen. Seine Variante, sie samt dem anderen Inhalt des Glases den Hühnern vom Nachbarn zu „sponsern“ traf bei meinem ausgeprägten Beschützerinstinkt auf wenig Gegenliebe. Und so kamen bei mir die Hendln nur zu einer vegetarischen Jause, während ich die fliegenden „Proteinspender“ heimlich und (meist) unbeobachtet sehr sorgfältig auf die Zweige und ins frische Blattwerk von Birnbaum, Ribisel und anderem Gehölz absetzte.


Abends stand ich am Fenster und stellte mir mit gutem Gefühl und reinem Gewissen vor, wie „Meine“ Käfer ihre wiedergewonnene Freiheit genießen würden. Wie gestern Abend, als der kleine Brummer verzweifelt Kreise um unseren Lampenschirm drehte. Es war übrigens ein „Schuster“, also kein besonderes „Sammlerstück“.
Otto S.

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